Wie erstellt man einen Zettelkasten?

Zettelkasten

Foto: Marc Wathieu (https://www.flickr.com/photos/marcwathieu/)

Eine analoge Anleitung

Der Zettelkasten erlebt seit einigen Jahren ein Revival. Zu Recht. Das Prinzip ist schon recht alt, kommt aus der Renaissance und läuft dort unter dem Begriff Kollektaneenbuch, auch als Commonplace-Book bekannt[1]Beispielsweise nutzt Ryan Holiday dieses Prinzip für seine Arbeit: https://ryanholiday.net/how-and-why-to-keep-a-commonplace-book/. Es gibt einige gute Bücher darüber, wie man sich einen (digitalen) Zettelkasten anlegt. Oft zitiert ist das Buch von Sönke Ahrens*[2]Affiliate Link.

Perfektioniert wurde das Prinzip Zettelkasten durch den Soziologen Niklas Luhmann. Wenn du dich für smarte Notizen, ein second brain oder generell für die produktive Erstellung von Inhalten interessierst, hast du vermutlich schon von Luhmanns Zettelkasten gehört.

Luhmann selbst hat einen Text verfasst, in dem er beschreibt, wie er mit seinem Zettelkasten arbeitet: Kommunikation mit Zettelkästen. An diesem Text orientiert sich diese Anleitung.

Schritt 1 – Aufnehmen von Informationen

Ein Zettelkasten hat zwei Funktionen.

  1. Das Sammeln von Informationen (die wichtig für die eigene Arbeit sind)
  2. Die Arbeit und das Denken mit dem Zettelkasten

Informationen kannst du über verschiedene Wege bekommen. Luhmann hat in erster Linie gelesen – Bücher, Artikel, Aufsätze. Du kannst deinen Zettelkasten aber auch mit Informationen aus Videos, Podcasts, Kursen etc. bespielen. Je nachdem, wo und wie du Informationen aufnimmst.

Bild von dem Buch Philosophie in der Badewanne
Grundlage für die Zettel

Grundlage für diese Anleitung ist ein simples Buch. Es gibt einen sehr vereinfachten Einblick in die europäische Philosophie.

Auf welcher Grundlage man smarte Notizen erstellt, habe ich hier schon einmal beschrieben.

Bild von einem Zettel
Der erste Zettel

Karteikarten eignen sich für den Anfang sehr gut. Welche Größe für dich passt, kannst du einfach probieren. Ich nutze kleine Karteikarten (DIN A6 – Hälfte einer Postkarte)[3]Luhmann ist irgendwann auf Papier umgestiegen. Das ist dünner und nimmt nicht so viel Platz weg..

Um deine Zettel auch wiederzufinden, brauchen sie einen festen Platz. Diese Zuordnung erhalten die Zettel über eine eindeutige Nummerierung. Auch hier kannst du wieder probieren, was für dich gut passt. Zur Veranschaulichung kannst du auch direkt beim Meister schauen.

Schritt 2 – Zettel zur Literatur erstellen

Ein Zettel mit Informationen zu den Vorsokratikern
Zettel 1 – beschrieben und mit Kategorien versehen

Auf jedem Zettel soll sich nicht mehr als ein Gedanke befinden. Außerdem ist es wichtig, Kontext zu hinterlegen. Das kann beispielsweise durch eine Überschrift erfolgen. Hier ist auf den ersten Blick gleich erkennbar, dass dieser Zettel eine Information zu den Vorsokratikern enthält.

Der Zettel muss keinen Preis für Schönheit gewinnen. Du solltest so schreiben, dass du alles gut lesen kannst. Mehr muss aber nicht sein. Es ist ein Werkzeug, kein Kunstwerk. Farbige Markierungen, Skizzen etc. können dir dabei helfen, Ideen festzuhalten. Sie sollten dich aber nicht von der eigentlichen Arbeit ablenken.

Nach dem Notieren kannst du schauen, welche Kategorien du aus deiner Notiz ableiten kannst. Das hängt immer auch von deinem Ziel ab. In diesem Beispiel sind die Kategorien eher allgemein. Der Name THALES ist vermerkt und auch die beiden Prinzipien MYTHOS und LOGOS. Wenn es dir hilft, kannst du dir erst einmal wesentliche Begriffe unterstreichen und dann überlegen, welche Kategorien sich daraus ergeben.

Schritt 3 – Literaturvermerk

Literaturvermerk auf einem Zettel
Literaturvermerk zur Einordnung

Auf die Rückseite eines Zettels kommt immer ein Verweis darauf, woher die Informationen stammen.

Du kannst den gesamten Titel dort aufführen. Oder ihn abkürzen. Dabei solltest du immer daran denken, dass du in sechs Monaten vielleicht nicht mehr weist, wie der Autor des Buches heißt. An den Titel erinnerst du dich vielleicht eher.

Schritt 4 – Weitere Zettel erstellen

Es ist anzunehmen, dass du dir mehr als eine Notiz zu einem Buch oder zu einem Artikel machst. Nach dem Prinzip – ein Gedanke pro Zettel – erstellst du also die nächsten Notizen.

Strenggenommen schreiben wir so Zettel, die lediglich dem ersten Prinzip zuzuordnen sind. Wir sammeln Informationen. Luhmann spricht von bibliografischen Notizen. Die kommen zwar auch mit in den Zettelkasten, sollen aber getrennt von den eigentlichen Zetteln hinterlegt werden.

Ein zweiter Zettel
Zettel 2 – Thema: Thales
Ein dritter Zettel
Zettel 3 – Thema: Heraklit

Das Prinzip bleibt bestehen. Auf den Zetteln ist oben eine Zahl vermerkt, die den Zettel im Zettelkasten verortet. Die Bezüge werden durch Überschriften hergestellt und zu den Informationen kommen die Kategorien (hier wieder am unteren Rand).

Schritt 5 – Einen Index erstellen

Momentan existieren drei Zettel (zu einem Buch) in unserem Zettelkasten. Das ist sehr übersichtlich. Wirts ist kein Problem, einen der Zettel zu finden. Je mehr Zettel aber hinzukommen, um so weniger Übersicht hat man. Damit du deine Gedanken wiederfindest, solltest du dir für die Zettel einen Index erstellen.

Ein Index zu den Zetteln
Index zu den Zetteln

Dazu nimmst du dir eine zusätzliche Karteikarte, die in dem Zettelkasten ganz vorne steht. Auf diese Karte schreibt du die Kategorien, die du auf den einzelnen Zetteln notiert hast. Und dann erfolgt die Zuordnung anhand der Nummerierung.

Wenn du also später Zettel zum Thema MYTHOS suchst, findest du eine Übersicht all der Zettel, die mit dieser Kategorie versehen sind. Hier gibt es einen Treffer durch den Zettel 1. Suchst du etwas zum SEIN, wirst du auf Zettel 3 verwiesen. Und so weiter.

Schritt 6 – Denken mit Zetteln

Wenn du nach und nach Zettel erstellt und gesammelt hast, kannst du sie nutzen, um dir neue Konzepte, Ideen oder Inhalte zu erschließen.

Wenn du weitere Notizen zu dem Buch erstellt hast, dann bist du irgendwann bei Hegel und der Dialektik gelandet. Eine deiner Literaturnotizen könnte so aussehen:

Zettel 159 – Thema: Hegel & Dialektik

Wenn du dann später einmal auf deinen Index schaust, weil du dich mit dem SEIN oder dem WERDEN beschäftigst, dann führt dieser dich auf die Zettel 3 und 159. Du stellst fest, das Hegel sich offenbar bei Heraklit bedient hat – vielleicht entsteht so eine neue Idee für dich. Du fängst also an, die einzelnen Literatur-Zettel miteinander in Beziehung zu bringen. Und so können dann neue Zettel für deinen Zettelkasten entstehen. Vielleicht in dieser Form:

Zettel für den Zettelkasten

Um zu markieren, dass es sich um einen Zettel handelt, der nicht zu den Literaturnotizen zählt, ist hier eine andere Nummerierung eingefügt. Wie du das konkret umsetzt, bleibt wieder dir überlassen. Hier zeigt das Z einfach nur den Hinweis auf Zettel an. Auf die Rückseite kommt für diesen Zettel auch ein Bezug – dieses Mal aber nicht zu einem Buch, sondern auf die Zettel mit deren Hilfe du den Gedanken formuliert hast:

Referenz auf die Zettel, mit denen dieser Gedanke entwickelt wurde

Wenn du auf diese Weise neue Zettel erstellst, wirst du irgendwann die einzelnen Zettel (nicht die Literaturzettel) miteinander in Beziehung bringen. Auch das kann wieder über Kategorien erfolgen (die sind auf Z42 noch nicht hinterlegt) oder darüber, dass du deine Zettel direkt in unterschiedlichen Kategorien innerhalb deines Zettelkastens sammelst.

Dieses Die-Zettel-Miteinander-In-Beziehung-Bringen ermöglicht das Denken mit dem Zettelkasten. Je mehr Zettel, umso komplexer und auch kreativer können die neuen Ideen, Zusammenhänge oder Ergebnisse (Texte, Videos, Abschlussarbeiten usw.) werden.

References

References
1 Beispielsweise nutzt Ryan Holiday dieses Prinzip für seine Arbeit: https://ryanholiday.net/how-and-why-to-keep-a-commonplace-book/
2 Affiliate Link
3 Luhmann ist irgendwann auf Papier umgestiegen. Das ist dünner und nimmt nicht so viel Platz weg.

Ähnliche Beiträge