Sokrates und das nicht hinterfragte Leben

Sokrates im Gespräch

Ist es nicht so ...

Für eine Visualisierung habe ich mir angeschaut, wie gut man eigentlich Weiß-auf-Schwarz lesen kann. Ich wollte für eine Moderation einen Impuls setzen, der sich von den üblichen Darstellung abhebt. Zum Rumprobieren habe ich ein schwarzes Feld erstellt und angefangen, mit einem weißen Stift darin herum zu kritzeln. Heraus kamen diese beiden Figuren. Die eine erinnerte mich an Sokrates und ich hatte Lust, einen Dialog daraus zu machen.


Mir ist sofort die Frage eingefallen, die ich hier aufgeschrieben habe. Auf den Wortlaut kam es mir dabei nicht an (sonst hätte ich noch einmal nachgelesen) sondern eher auf das Prinzip. Was ist ein nicht hinterfragtes Leben? Und was ist eigentlich lohnenswert?


In der Regel wird diese Frage mit dem Begriff lebenswert formuliert. Der ist hochgradig besetzt – ich weiß noch, dass ich beim Zeichnen hin und her überlegt habe, ob mir nicht doch ein besserer Begriff einfällt. Lebenswert – das klinkt nach Euthanasie.
Darum geht es aber nicht.


Es geht um das gute Leben. Das richtige Leben. Das Leben, das sich nach den Prinzipien der Weisheit ausrichtet. Und nach den Prinzipien der (Nächsten)Liebe. Aus der normativen Nummer kommt man so zwar auch nicht raus, die Richtung ändert sich aber.


Vielleicht hilft es, auf ergänzende Fragestellungen zu schauen. Es gibt in den Sudelbüchern[1]Interessanter Begriff. Ein Sudelbuch ist ein Buch, in das man einfach so reinschreibt. Ohne Struktur. Das Sudelbuch ist dafür da, Gedanken festzuhalten, die man später noch einmal überarbeitet. … Continue reading von Lichtenberg die alles entscheidende Frage:

Könnte dies nicht falsch sein?

(G.C. Lichtenberg)


Lichtenberg unterteilt die Menschen in zwei Kategorien. Er vergleicht den gewöhnlichen Kopf mit dem Genie. Das Genie ist eine Person (bei Lichtenberg vermutlich ein Mann), die mündig, selbstständig denkend und kritisch ist.


Der gewöhnliche Kopf nimmt die Umstände und die Welt als gegeben hin. Das Genie fragt immer einmal wieder “Könnte dies nicht auch falsch sein?” und reflektiert damit die Tatsache, dass am Beginn immer auch eine Differenz steht. Das also Entscheidungen getroffen werden, die durchaus auch anders hätten ausfallen können.


Wenn wir uns und unsere Entscheidungen hinterfragen, dann besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, das wir lernen. Das wir uns entwickeln. Und das wir bei weiteren Entscheidungen auf unsere Erfahrungen zurückgreifen und unterschiedliche Perspektiven berücksichtigen.


Das gilt sowohl für existenzielle Entscheidungen als auch für den Kauf (oder nicht-Kauf) eines Must-have[2]Die Frage ist: Wer entscheidet was wir haben müssen? Und warum?.

Und Sokrates? Ich gehe davon aus, dass er genau auf diesen Zusammenhang verweist. Wenn wir nicht fragen, nicht hinterfragen, dann lernen wir nicht. Wir bleiben stehen, entwickeln uns nicht weiter (und kommen so der Weisheit auch nicht näher). So würde uns tagtäglich das Murmeltier grüßen. Und das ist nun wirklich keine lohnenswerte Vorstellung.

References

References
1 Interessanter Begriff. Ein Sudelbuch ist ein Buch, in das man einfach so reinschreibt. Ohne Struktur. Das Sudelbuch ist dafür da, Gedanken festzuhalten, die man später noch einmal überarbeitet. Hat was von fleeting notes.
2 Die Frage ist: Wer entscheidet was wir haben müssen? Und warum?

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